Zinsentscheidung des Bundesverfassungsgerichts im August 2021 und die Konsequenzen

Leitsatz der Entscheidung: Die Verzinsung von Steuernachforderungen und Steuererstattungen ist verfassungswidrig, soweit der Zinsberechnung für Verzinsungszeiträume ab dem 1.1.2014 ein Zinssatz von monatlich 0,5 % zugrunde gelegt wird (BVerfG, Beschluss v. 8.7.2021, 1 BvR 2237/14, 1 BvR 2422/17, veröffentlicht am 18.8.2021).

Das BVerfG sieht in der Verzinsung von Steuernachforderungen mit einem Zinssatz von monatlich 0,5 % nach Ablauf einer zinsfreien Karenzzeit von grundsätzlich 15 Monaten eine Ungleichbehandlung von Steuerschuldnern, deren Steuer erst nach Ablauf der Karenzzeit festgesetzt wird, gegenüber Steuerschuldnern, deren Steuer bereits innerhalb der Karenzzeit endgültig festgesetzt wird. Hintergrund hierfür ist das seit Jahren anhaltende niedrige Zinsniveau auf dem Kapitalmarkt, das in diametralem Gegensatz zur 6-prozentigen Jahresverzinsung durch die Finanzverwaltung steht. Dies gilt zumindest für in die Jahre ab 2014. Die Unvereinbarkeit der Verzinsung nach § 233a AO mit dem Grundgesetz umfasst auch die Erstattungszinsen zugunsten der Steuerpflichtigen.

Allerdings soll das bisherige Recht für Verzinsungszeiträume bis einschließlich 2018 weiterhin anwendbar sein. Für Verzinsungszeiträume, die in das Jahr 2019 und später fallen, wird der Gesetzgeber verpflichtet, bis zum 31.7.2022 eine verfassungsgemäße Neuregelung zu treffen.

 

Konkrete Rechtsfolgen für die Besteuerungspraxis nach der Entscheidung des BVerfG

Für Verzinsungszeiträume, die in das Jahr 2013 und früher fallen, bleibt es bei einem Zinssatz von 0,5 % pro Monat. Für Verzinsungszeiträume, die in das Jahr 2014 bis einschließlich 2018 fallen, bleibt das aktuelle Recht weiterhin anwendbar. Eingelegte Einsprüche werden zurückgewiesen, und ausgesetzte Beträge müssen gezahlt werden. Sofern die Zinsfestsetzung vorläufig erfolgt ist, wird die Finanzverwaltung die Vorläufigkeit aufheben. 

Für Verzinsungszeiträume, die in das Jahr 2019 und später fallen, muss der Gesetzgeber bis zum 31.7.2022 "nachbessern" Von einer Neuregelung wird jedoch nur derjenige profitieren, der gegen den Zinsbescheid Einspruch eingelegt hat oder dessen Zinsbescheid vorläufig ergangen ist. Die Vorläufigkeit wurde vom Finanzamt seit dem 02.05.2019 automatisch in die Steuerbescheide aufgenommen, so dass seit diesem Zeitpunkt kein Einspruch notwendige war.  Da eine gesetzliche Neuregelung Zeit braucht, wird die Vorläufigkeit der Zinsen wohl auch weiterhin automatisch festgesetzt.

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