Steuer- und Abgabenrisiken einer selbständigen Tätigkeit als Praxisvertretung oder für Notdienste

Wer als ehemals selbständiger (Zahn-)Arzt*in keine eigene Praxis mehr betreibt, oder auch im dauerhaften Angestelltenverhältnis eine ärztliche Nebentätigkeit ausüben will, dem erscheint eine Tätigkeitsvergütung gegen Stundenhonorar oder umsatzabhängiges Honorar als einfache und zweckmäßig Vergütungsregelung. Das kann jedoch unter abgabenrechtlichen und steuerlichen Aspekten zu einem fatalen Problem werden. Gleich zwei aktuelle Gerichtsentscheidungen befassen sich der Problematik. 

„Pool-Arzt“ im vertragszahnärztlichen Notdienst ist nicht selbstständig tätig 

Im entschiedenen Fall hatte ein Zahnarzt seine Praxis verkauft und seine vertragszahnärztliche Zulassung zurückgegeben. In der Folge übernahm er überwiegend am Wochenende immer wieder Notdienste, die von der zuständigen KZV organisiert wurden. Diese betrieb ein „Notfalldienstzentrum“ mit angemessenen Räumlichkeiten, Geräten, Material und Personal. Der Notdienst wurde sowohl durch an der zahnärztlichen Versorgung teilnehmende Zahnärzte als auch durch nicht zugelassene Zahnärzte durchgeführt (Pool-Ärzte).

Die Übernahme konkreter Schichten wurde zwischen dem Kläger und der KZV abgestimmt. Die Vergütung für die Schichten lag je nach Tageszeit und Wochentag pro Stunde zwischen 34 € und 50 €. Der Kläger hatte einen sogenannten „Statusfeststellungsantrag“ bei der Deutschen Rentenversicherung Bund gestellt. Diese stellte fest, dass kein abhängiges Beschäftigungsverhältnis und damit keine Versicherungspflicht bestanden habe. Das passt dem Kläger aber nicht, vermutlich u.a. weil er dann keinen Anspruch auf Zuschüsse zur Kranken- und Pflegeversicherung hatte.

Das Bundessozialgericht widersprach der DRV Bund und stellte fest, dass sogenannter „Pool-Arzt“ im Notdienst nicht automatisch als selbstständig im Sinne der Sozialversicherung anzusehen ist, maßgebend sind vielmehr die konkreten Umstände des Einzelfalls (BSG, Urteil vom 24.10.2023 Az. B 12 R 9/21 R).

Bei Teilnahme am vertragszahnärztlichen Notdienst war der Kläger wegen seiner Eingliederung in die von der KZV organisierten Abläufe als beschäftigt anzusehen. Hierauf hatte er keinen entscheidenden, erst recht keinen unternehmerischen Einfluss. Er musste sich in eine von dritter Seite organisierte Struktur fremdbestimmt einfügen. Er wurde unabhängig von konkreten Behandlungen stundenweise bezahlt und verfügte nicht über eine Abrechnungsbefugnis, die für das Vertragszahnarztrecht eigentlich typisch ist. Nicht entscheidend ist, dass der Kläger bei der konkreten medizinischen Behandlung als Zahnarzt frei und eigenverantwortlich handeln konnte. Infolgedessen lag eine abhängige Beschäftigung und Sozialversicherungspflicht vor.

Das BSG nimmt Bezug auf die wesentlichen Entscheidungskriterien einer Scheinselbständigkeit, was für viele Vertretervereinbarungen zutreffen dürfte.

Bezahlte (Vertretungs-)Teilnahme am ärztlichen Notfalldienst und Blutentnahmen für die Polizei ist umsatzsteuerpflichtig

In diesem Fall ging es um die nicht zu unterschätzenden Umsatzsteuerkonsequenzen eine Honorartätigkeit für Kollegen oder Organisationen. Die (zahn-) ärztliche Tätigkeit ist bekanntlich nach § 4 Nr. 14 UST umsatzsteuerfrei; dies befreit jedoch nur Entgelte für die unmittelbare Heilbehandlung am Patienten, nicht oder nur in bestimmten Ausnahmefällen mittelbar der Heilbehandlung dienende Tätigkeiten.

Im entschiedenen Fall hatte der selbstständige Allgemeinarzt mit der KV eine freiwillige Teilnahme am ärztlichen Notfalldienst vereinbart; er konnte den Notfalldienst für die dazu verpflichteten Ärzte vertretungsweise übernehmen. Er rechnete mit den vertretenen Ärzten ausdrücklich "für die Notdienstvertretung" stundenweise ab. Die vom Kläger im Rahmen des Notfalldienstes erbrachten ärztlichen Leistungen liquidierte er darüber hinaus über die KV. Daneben führte der Kläger für eine Polizeibehörde Blutentnahmen durch.

Nach Auffassung des Finanzamts  und später des Finanzgerichtes war – im Gegensatz zur Heilbehandlung an den Patienten – die Übernahme der Notdienste durch den Kläger nicht steuerfrei nach § 4 Nr. 14 Buchst. a UstG (FG Münster v. 09.05.23 (Az. 1 5K 1953/20 U). Die stundenabhängigen Entgelte der vertretenen Ärzte wurden für die Freistellung von der Verpflichtung zum Notfalldienst geleistet und nicht unmittelbar für die im ärztlichen Notdienst erbrachten Heilbehandlungsleistungen. Sie wurden faktisch unabhängig davon gewährt wird, ob im übernommenen Dienst tatsächlich Heilbehandlungsleistungen erbracht wurden. Allein das Vorhalten räumlimedizinischer und Personal-Ressourcen im Sitz- oder Fahrdienst dient noch keinem therapeutischen Zweck, sondern schafft nur die Voraussetzung für die nachfolgende zeitnahe Erbringung von Heilbehandlungsleistungen. Die Umsatzsteuerbefreiung gilt daher nicht.

Das gleiche gilt für die erhaltenen Entgelte für Blutentnahmen für die Polizei. Auch hier liegt keine unmittelbare umsatzsteuerfreie Heilbehandlungsleistung vor. Die Blutentnahmen wurden auf polizeiliche Anforderung durchgeführt und erfolgten, um den Blut-alkoholwert zu bestimmen oder die Einnahme von Drogen festzustellen. Diese Feststellungen dienten nicht vorrangig dem Schutz des Gesundheitszustandes des Betroffenen, sondern der Beweiserhebung im Zusammenhang mit einem strafrechtlich oder öffentlich-rechtlich geführten Verfahren. Die Umsatzsteuer von 19 % auf beide Tätigkeitsentgelte musste vom Kläger nachentrichtet werden.

Vorsicht Umsatzsteuer auch bei diesen Konstellationen

Ist das Hauptziel einer ärztlichen Leistung nicht der Schutz der menschlichen Gesundheit, kommt eine Steuerbefreiung als ärztliche Heilbehandlung nicht in Betracht. Dies gilt nach der ständigen Rechtsprechung auch für folgende Tätigkeiten von selbständigen Ärzten: Erstellung nicht medizinisch inzidierter Gutachten, der Verzicht eines Chefarztes gegenüber seiner Klinik auf das ihm eingeräumte Recht zur Privatliquidation, oder die Überlassung von Behandlungsräumen und Organisation an andere selbständig tätige Ärzte.

Anders wurde es seinerzeit nur aufgrund der besonderen Situation für Coronatestzentren und die freiberuflich dort tätigen Ärzte festgelegt. Steuerfrei“ nach § 4 Nr. 14 UStG waren sowohl die Abnahme von Corona-Tests durch Ärzte oder durch Angehörige ähnlicher Heilberufe, aber auch analog durch Unternehmer wie Apotheken oder Testzentren, wenn die Leistungserbringer an der Schulung nach der Coronavirus-Testverordnung teilgenommen haben. Die im Testzentrum tätigen Ärzte konnten steuerfrei mit dem Testzentrum selbst abrechnen (BMF, FAQ "Corona" (Steuern) vom 26. April 2021 und sonstige Verfügungen 2021).

Handlungsempfehlung für Vertretungsregelungen ist ein Anstellungsvertrag

Die Sozialversicherungs-Risiken einer Honorarvereinbarung für Vertretungstätigkeit bei Kollegen in deren Praxis können durch einen Antrag auf Statusfeststellung bei der DRV Bund leicht umgangen werden. Dann besteht kein Risiko, das die zahlende Praxis Jahre später bei der nächsten SV-Prüfung zur Kasse gebeten wird. Für eine ordentliche Anstellung spricht neben der meist vorliegenden Scheinselbständigkeit auch, dass der Vertreter Arbeitnehmer-Vorteile wie steuerfreie Zuschüsse zur Krankenversicherung und Altersvorsorge sowie steuerbegünstigte Zuwendungen in Anspruch nehmen kann.

Damit ist auch das beträchtliche Risiko von späteren Umsatzsteuernachzahlungen des Vertreters ausgehebelt. Denn in vielen Fällen liegt keine unmittelbare Heilbehandlung vor, die unter die Umsatzsteuerbefreiung des § 4 Nr.14 USTG fällt. Sofort 19 % Umsatzsteuer auf die Entgelte zu berechnen, ist da auch keine Lösung. Denn die zahlende Praxis hat damit eine erhebliche Mehrausgabe, die für den Zahlungsempfänger (meist ohne Abzug von nennenswerten Vorsteuern) beim Finanzamt abgeführt werden muss. Wenn möglich sollte man lieber den Anstellungsvertrag wählen.


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